#MOUNTINSPIREPEOPLE

Florian Maier & Marinus Höflinger

LINIEN. FORMEN. ÄSTHETIK. In ihren jeweiligen Berufen als Technischer Zeichner und Architekt beschäftigen sich die beiden Kletterer mit komplexen Konstrukten und innovativen Formen. Der Drang, durch das Erschließen neuer Kletterrouten zu gestalten, ist wohl mehr als nur eine logische Konsequenz. Es ist innerer Antrieb sowie Ausdruck ihrer Persönlichkeit.  Ein Gespräch über ihre Entwicklung, den kreativen Schaffensprozess am Berg und ihren Zugang zur Natur.

Räume gestalten

Hintergrund: Marinus Höflinger und Florian Maier sind beide in Reit im Winkl aufgewachsen. Nach längeren Reisen, Studium sowie verschiedenen Stationen im Ausland kehrten sie zurück ins Chiemgau. Mit neuen Klettertouren und der Wiederbelebung längst verloren geglaubter Klettergebiete setzen sie seither mehr als nur Akzente. Vielmehr handelt es sich um Ausrufezeichen im Grenzgebiet zwischen Bayern, Tirol und Salzburg.

Hände gestalten - mountinspirepeople Marinus Höflinger

Es gibt Menschen, die in Landschaften keine zufällige Aneinanderreihung von Objekten sehen. Vielmehr denken sie in Strukturen, Linien und Möglichkeiten. Dieser Blick erlaubt es ihnen, spielerisch mit der Natur zu interagieren und wurde seit der Kindheit weiterentwickelt. Gemeinsame Bergtouren mit den Eltern, Ausflüge mit dem Alpenverein und eigene Erlebnisse schufen eine Verbundenheit mit den Bergen, die bis heute ununterbrochen anhält.

Die heutige Freundschaft entwickelte sich dabei erst in den letzten Jahren nachdem Marinus als Architekt zurück nach Reit im Winkl kam. Obwohl sich die Beiden seit Kindesbeinen an kennen, entdeckte jeder die Berge unabhängig vom jeweils Anderen. Berührungspunkte gab es genug, aber der Zeitpunkt passte noch nicht. Marinus entwickelte gemeinsam mit Freunden die Freeski-Crew, ein Kollektiv, das zwischen Innsbruck, Inntal und dem Chiemgau heute noch bekannt ist. Später zog es ihn in entlegenere Regionen, zu höheren Bergen wie dem Peak Lenin. Dort machte er jedoch neben vielen schönen Begebenheiten auch die Erfahrung, dass Glück und Unglück im Höhenbergsteigen oft nur durch „Zufälle“ voneinander getrennt sind.

Marinus Höflinger über den Bergsport

Ich will etwas erschaffen. Andere sollen von meinem Tun profitieren. Beim Freeriden zeichneten wir flüchtige Linien in den Schnee. Es entstanden Videos - digitale Kopien unserer Erlebnisse - aber nichts Nachhaltiges. Ganz anders beim Anlegen neuer Klettertouren: Wir zeichnen Linien, kreieren Griffkombinationen, erzeugen etwas Bleibendes. Freunde können daraus einen Nutzen ziehen. Bei manchen Neuerschließungen entdecken wir alte Bohrhaken, Zeitzeugen der Klettergenerationen vor uns. Diese Verbundenheit inspiriert. Außerdem zeigt sie uns, dass Naturverbundenheit mit dem Sportklettern harmonieren kann, wenn wir die richtigen Linien finden.

Florian Maier beschritt einen ähnlichen Weg. Als Freestyle Skifahrer erweiterte er sein Bewegungsrepertoire mit jedem neuen Trick, jeder neuen Drehung. Sein natürlicher Flow hat vermutlich hier seinen Ursprung. Bei einem längeren Aufenthalt in Kanada traf er mit Offenheit auf Gleichgesinnte, die seinen Spirit teilten. Im gemeinsamen Austausch kam er so zu Orten, die ihm sonst verschlossen geblieben wären. Gemeinschaft entsteht durch gemeinsame Erlebnisse in der Natur. Klettern, Biken, Trailrunning, Wakeboarden, Skifahren – Florian ist einfach gerne draußen unterwegs wenngleich er das Klettern mit dem größten Ehrgeiz verfolgt. 

Meister der Linien

Über viele Jahre, in denen sie sich gegenseitig pushten, entwickelten sich Florian und Marinus zu echten Cracks im Sportklettern mit Begehungen bis zum X. Schwierigkeitsgrad. Jede neue Route stellt dabei auch eine Chance dar, erneut über sich selbst hinauszuwachsen. Ebenso entstand in vielen Kletter Sessions ein Gespür für wirklich gute Routen:

Passt die Felsqualität?  Wie ist der Zustieg? Naturschutz? Wo sollten Kletterer nicht hochklettern?An welchen Punkten wollen die Kletterer clippen? Soll die Tour durch einen Riss geklettert werden oder ist es besser, wenn immer nur ein Fuß im Riss platziert wird? Gibt es natürliche Rastpunkte? Wo befindet sich die Schlüsselstelle einer Route, passt die Route vom Schwierigkeitsgrad homogen zusammen?…

Mit der Zeit formte sich der Wunsch, eigene Touren zu erschließen, selbst Linien im Fels zu setzen, Reit im Winkl als Kletterparadies zu formen. Voller Tatendrang bewegten sie sich fortan mit noch offeneren Augen durch ihre Heimat.

mountinspirepeople Marinus Höflinger und Florian Maier beim Klettern

In Reit im Winkl gibt es eine Vielzahl guter Wände, an denen zum Teil bereits vor Jahrzehnten  geklettert wurde. Felsen im Dornröschenschlaf, denen nun neues Leben eingehaucht wird. Die „Jungen Wilden“ aus früheren Jahren unterstützen den Tatendrang der Beiden. Anpacken, mithelfen, zusammenarbeiten. In unzähligen Stunden entstanden rund um Reit im Winkl über hundert neue Klettertouren im Schwierigkeitsgrad IV – X. Anerkennung finden Marinus und Florian durch die Begehungen befreundeter Kletterer. Diese finden in ihren Touren neue Möglichkeiten zur Interaktion mit der Natur. Der Übergang zwischen Kunst und Handwerk ist auch beim Bohren neuer Touren fließend, so viele Variablen gilt es zu bedenken. Mittlerweile gehören Marinus und Florian sicher zu Meistern der Linien, deren Meinung bei anderen Erschließungen gefragt ist. Sie gestalten den Raum, der ihnen zur Verfügung steht und schaffen bleibende Linien im Fels.  Verwirklichung in ihrer Heimat Reit im Winkl. Der Vergleich mit schon bekannteren Kletterdestinationen wird bewusst nicht gescheut.

Positive Energy | Echter Spirit

Sportklettern ist gekennzeichnet durch seine Unmittelbarkeit. Sicher oben angekommen erfährt man sofort die Bestätigung, dass man eine Route geschafft hat. Der Weg bis dahin – viele gescheiterte Versuche, endlose Stunden beim Bouldern und Training – alles vergessen in diesem Augenblick purer Euphorie, wenn das Seil durch den Umlenkpunkt läuft und man Richtung Boden abseilt.

Als Routenbauer gibt es zwei ganz besondere Augenblicke: Die erste eigene Begehung einer neuen Tour und die erste Wiederholung durch befreundete Kletterer. Doppelter Aufwand, aber auch doppelte Bestätigung der eigenen Arbeit könnte man sagen. Florian und Marinus haben eine unglaublich positive Einstellung zum Klettern gefunden, die Florian zusammenfasst.

Florian Maier über den Spirit beim Klettern

Ich freue mich mit Jedem, der eine neue Route oder eine neue Schwierigkeit klettert zu 100%. Wenn ich sehe wie mein Kletterpartner über sich hinauswächst, setzt das auch neue Energie in mir frei. Natürlich vergleicht man sich beim Klettern und man hat einen Ehrgeiz, sich zu verbessern. Umso schöner ist es doch dann, wenn man sieht, wie befreundete Kletterer das Gleiche machen und sich ebenfalls weiterentwickeln.

Blick auf die Gemeinschaft der Kletterer

Klettern ist für Florian noch immer ein Dirtbag Sport. Ungezwungen, unaufgeregt, mit dem Hang zum Understatement. Die Kletter Community  bewegt sich für ihn in eine gute Richtung. Marinus legt vor allem Wert darauf, dass sich die Kletterer ohne Eitelkeit mit Respekt begegnen. Sein Credo „THE MOUNTAINS SHALL BRING PEACE TO THE PEOPLE“ lebt er jeden Tag.

Beide inspirieren als Übungsleiter Sportklettern die nächste Generation junger Kletterer in Reit im Winkl. Neue Routen treffen auf hungrige Nachwuchskletterer. Es ist eine weitere Bestätigung, dass ihre Arbeit am Berg sinnvoll und sinnhaft  zugleich ist. Man kann der gesamten Kletter Community nur wünschen, dass sie weiterhin die Natur so erleben dürfen, wie sie es jetzt tun. #mountinspirepeople

Lieber Florian, lieber Marinus, vielen Dank für das Gespräch!

#mountinspirepeople

Marinus Höflinger

Florian Maier

Fotocredit: Stefan Götschl